Vom Gartenhaus, das eine Geschichte erzählt

Wolf Rogowskis Gartenhäuschen besteht zu hundert Prozent aus gebrauchten Baustoffen

Landschaftsgärtner Volker Kranz, Wolf Rogowski und Zimmermann Malte Schaa (v.l.n.r.) haben es gemeinsam geschafft, das Gartenhaus aus 100 Prozent Recyclingmaterialien zu bauen. (Foto: WFB/Carmen Jaspersen)

Die Stufen vor der Tür hat angeblich schon Bremens legendärer Bürgermeister Wilhelm Kaisen betreten, die Balken stammen von abgerissenen Dachstühlen: Das Material, aus dem das Gartenhaus des Bremers Wolf Rogowski besteht, erzählt interessante Geschichten.

Klimaschutz liegt Rogowski am Herzen. Als er in seinem Garten in Bremen ein Häuschen bauen wollte, war ihm klar: Es sollte kein Neues sein. Ihm schwebte eines aus Recyclingmaterialien vor. Am Ende wurde es eine Hütte, die zu hundert Prozent aus gebrauchten Baustoffen besteht. Selbst die Schrauben haben ein Vorleben.

Selbst Schrauben und Folie sind gebraucht
Erstaunt hat ihn die Sache mit den Schrauben. Landschaftsgärtner Volker Kranz sollte zusammen mit Zimmermann Malte Schaa für den Bremer Professor Wolf Rogowski ein Gartenhaus aus recycelten Werkstoffen bauen. Kein Problem für Volker Kranz, dessen Firma Baumrausch sich darauf spezialisiert hat, Gärten und Terrassen nachhaltig und ökologisch zu gestalten. Dass am Ende tatsächlich gar keine neuen Materialien für die Holzhütte gebraucht wurden, hätte Volker Kranz am Anfang nicht für möglich gehalten. „Ich dachte, zumindest die Schrauben und die Folie für die Dachbegrünung müssen wir neu kaufen“, sagt er. 

Für Wolf Rogowski war von vornherein klar: Sein Gartenhaus sollte keine Neuware sein. Entstanden ist ein Haus aus 100 Prozent Recyclingmaterialien. (Foto: WFB/Carmen Jaspersen)

Recyclinghaus bedeutet mehr Aufwand als ein Neubau
Doch Wolf Rogowski hatte den Ehrgeiz, ein hundertprozentiges Recyclinghaus in seinem Garten in Bremen-Horn stehen zu haben. „So CO2-neutral wie möglich“, sagt der 44-Jährige. Deshalb forschte sein Bekannter Volker Kranz nach und erfuhr, dass Tischler Schrauben, die sie in der Werkstatt für Probeaufbauten nutzen, normalerweise nach einmaligem Gebrauch wegwerfen. Solche vor dem Müll bewahrten Konstruktionsschrauben halten nun das Gartenhäuschen zusammen. Die Teichfolie fürs Dach besorgte die Freundin von Rogowski bei Ebay. „Da hatte sich jemand vermessen und zu viel für seinen Teich gekauft“, sagt der Wissenschaftler, der an der Universität Bremen Management im Gesundheitswesen lehrt. 

Hütte kann Geschichten aus mehreren Stadtteilen erzählen
Und so kann jedes Teil des Bauwerks eine eigene Geschichte erzählen, meist aus verschiedenen Stadtteilen Bremens: Die Kanthölzer stammen aus einem Dachstuhl-Abriss im Viertel, die dicken Bohlen aus einem Dachgeschoss in Findorff, die Sandsteinplatten aus dem Schnoor, andere Platten haben ein Vorleben in einer Schule in der Neustadt geführt. „Die eingebaute Stufe vor der Tür gehörte angeblich zu einem Haus, in dem der ehemalige Bremer Bürgermeister Wilhelm Kaisen gelebt haben soll“, erzählt Volker Kranz. Das Gebäude war rückgebaut worden, Kranz rettete die Stufe vor der Deponie. Für ihn ist der Abfall von Abrissfirmen oft eine Schatzkammer. Ihm macht es Spaß, Lösungen für Rohstoffe zu finden, für die andere keine Einfälle mehr haben. „Wenn man nach Afrika schaut, dann sieht man, dass dort nichts weggeworfen wird und mit Fantasie alles wiederverwendet wird. Diese Fantasie ist bei uns verschwunden“, bedauert Volker Kranz.

Dach nutzt Wolf Rogowski als Bergersatz
Dass der Rasen in einem Bremer Garten auch einmal ein anderes Leben führen würde, hätte dessen Besitzer wohl nicht gedacht. Statt Gras wollte der Gartenfreund lieber eine Wildwiese haben. Volker Kranz nutzte die Chance und verwendete den Rasen für die Dachbegrünung. „Wir haben ihn abgeschält und auf dem Gartenhaus verlegt“, erklärt Baumrausch-Geschäftsführer Kranz.

Das begrünte Dach ist gewölbt – was einen besonderen Grund hat: „Ich komme aus Süddeutschland und vermisse in Bremen die Berge“, sagt Wolf Rogowski. „Deshalb wollte ich etwas, das mich an einen Berghügel erinnert und auf dem ich sitzen kann.“

Sportlicher Ehrgeiz in Sachen Klimaschutz
Als die Idee entstand, ein Gartenhäuschen als schattiges Plätzchen im Sommer, für Feiern und als Gästezimmer bauen zu lassen, war für Rogowski von vorherein klar: Es sollte keine Neuware sein. „Ich versuche klimafreundlich zu leben“, sagt der Professor. Sein CO2-Fußabdruck soll so gering wie möglich sein. „Da habe ich einen gewissen sportlichen Ehrgeiz entwickelt“, lacht er. Zum klimafreundlichen Leben gehört für ihn neben einer weitgehend fleischlosen Ernährung auch, dass er statt mit dem Auto viel Rad fährt, seinen Wohnraum mit anderen teilt und wenig Neues kauft.

Erst das Material, dann der Bauplan
Der Wunsch nach einem Recyclinggartenhaus begeisterte auch Volker Kranz und Malte Schaa. Der Bau stellte die Beteiligten allerdings vor andere Herausforderungen als ein Neubau. Die vor der Entsorgung geretteten Hölzer lagen zunächst auf einem Haufen im Garten, dann erst wurden sie passend zugeschnitten. Die Öffnungen wurden so groß gehalten, dass Fenster und Türen auch genügend Platz haben. „Wir hatten erst die Materialien und mussten dann schauen, was man damit machen kann“, sagt Volker Kranz. „Der Gestaltungsweg ist ein ganz anderer.“

Jedes Bauteil dieses Bremer Gartenhauses hat seine eigene Geschichte: Das Grasdach, die Fenster und Türen, die Bohlen und sogar die Schrauben. Denn alle Materialien wurden schon einmal verwendet. (Foto: WFB/Carmen Jaspersen)

Die Fenster stammen von der Bremer Baustoffbörse. Dort werden an Handwerker und Privatleute Teile verkauft, die bei Abbrüchen und Umbauten herausgerissen wurden, aber noch gebrauchsfähig und funktionstüchtig sind. Zwei Fenster waren mal eine Wohnzimmer-Schiebetür und passten somit nur quer. Die Tür war einmal eine Terrassentür – entdeckt wurde sie von Rogowskis Freundin bei Ebay. So entstand ein individuelles Bauwerk von neun Quadratmetern. So viel ist gerade noch ohne Bauantrag erlaubt.

Logistik und Lagerung sind eine Herausforderung
Billiger als ein Gartenhaus aus dem Baumarkt ist eines aus gebrauchten Baustoffen nicht, auch wenn die Materialien zum Teil umsonst waren. „Man braucht für die Planung und den Bau Zeit“, betont Zimmermann Malte Schaa, der zusammen mit Kollegen die Hütte aufgebaut hat. Bei den Dachstuhl-Abrissarbeiten musste er Materialien aussortieren und sie bis zur Verwendung lagern. „Bauen mit Recyclingmaterialien benötigt eine ganz andere Logistik als das Bauen mit neuen Baustoffen. Und man braucht Lagermöglichkeiten“, sagt Kranz.

Auch wenn der Aufwand größer ist: Volker Kranz erlebt immer mehr, dass sich Kunden für Nachhaltigkeit bei der Gartengestaltung interessieren. Viele seien bereit, recycelte Materialien statt Neuware zu verwenden. Am leichtesten überzeugt er seine Kunden davon, wenn er dazu Geschichten erzählen kann – wie die vom Haus, in dem Bürgermeister Kaisen wohnte.

Text: Janet Binder  Fotos: Carmen Jaspersen